6.5.2022 – Kundenorientierung im Schadenfall wollen die Versicherer künftig großschreiben. Dabei soll ihnen die Digitalisierung helfen. Eine eigene Schadenorganisation sorgt selbst bei Massenschäden dafür, die Regulierung wirtschaftlich zu halten. Eine schnelle automatische Regulierung stößt aber immer wieder auf die Skepsis, dass Kunden dann übervorteilt werden.
Das digitale Schadenmanagement der Versicherer nimmt deutlich Fahrt auf. So hat beispielsweise die Signal Iduna Allgemeine Versicherung AG eine automatisierte Deckungsprüfung eingeführt.
„Der Kunde möchte am Anfang vor allem wissen, ob der Schaden gedeckt ist, also Daumen rauf oder Daumen runter.“ Das sagte Thomas Jacobi, der bei dem Versicherer als Bereichsleiter Schaden Komposit tätigt ist, am Donnerstag auf dem Business Forum21 „Aktives Schadenmanagement 2022“. Jacobi: „Dann kann die eigentliche Regulierung auch einmal etwas länger dauern.“
Über eine vollkommen neue Aufstellung des Gesamtunternehmens ist es dem Versicherer gelungen, weite Teile der klassischen Schadenregulierung vollkommen zu digitalisieren. So arbeiten mittlerweile 1.000 Mitarbeiter bei der Signal Iduna in sogenannten Delivery-Units vollkommen eigenverantwortlich an neuen Ideen.
Sie sind in 104 Squads organisiert, die über ein eigenes Budget verfügen. Es gebe keine Projekte mehr, sondern allein die Kundenreise sei für die Umsetzung der Inhalte maßgeblich. Jacobi: „Das Ergebnis ist eine Lösung für den Kunden.“
So hat der Versicherer ermittelt, dass die Ablehnung eines Schadens viel besser von den Kunden aufgenommen wird, wenn man ihm direkt einen Weg aufzeigt, wie in künftigen Fällen eine Deckung möglich ist.
An der automatischen Mitteilung von „Zusatzkäufen“, wie die Signal Iduna diese Art der Kommunikation nennt, arbeitet das Unternehmen derzeit noch.
Das gilt auch für eine vollkommen automatisierte End-to-End Schadenbearbeitung. Umgesetzt wurde für alle Schadenzweige eine digitale Schadenmeldung, die automatische Deckungsprüfung, ein fallspezifischer Schadenfahrplan als ständige Anzeige des aktuellen Schadenstatus und eine digitale Schadenakte, die alle Informationen für einen Schaden zentral erfasst und bereitstellt.
Wir machen uns ein Stück weit von den Ermittlungen der Polizei und Staatsanwaltschaft unabhängig.
Stefan Artz, Allianz
Weit fortgeschritten ist auch die Allianz Versicherungs-AG in der automatischen Schadenbearbeitung. Mittlerweile werden sogar Personenschäden so bearbeitet. So stellt das System bei Autounfällen sowohl den Haftungsgrad als auch die Schadenschwere fest.
„Damit machen wir uns ein Stück weit von den Ermittlungen der Polizei und Staatsanwaltschaft unabhängig“, erläuterte Stefan Artz, Mitglied der Geschäftsleitung Schaden sowie Leistungsbereichsleiter Kraftschaden bei dem Versicherer.
Zweifelsfälle würde das System aber aussteuern. Letztendlich wäre es eine betriebswirtschaftliche Betrachtung. „Wenn wir bei neun von zehn Fällen richtig liegen, ist das akzeptabel“, so der Allianzschadenexperte.
Wie gut die Neuaufstellung bei der Signal Iduna wirkt, zeigt eine auf Basis von künstlicher Intelligenz entwickelte digitale Betrugsbekämpfungs-Lösung. Das System „Fraudula“ ist ein digitaler Hinweisgeber für Dubiosschäden in Komposit und wurde im November 2021 live geschaltet.
Es erhält während des gesamten Prozesses der Schadenbearbeitung Daten und berechnet selbsttätig das Betrugspotential des Schadenfalls. Wird ein Grenzwert überschritten, erfolgt eine automatische Sperrung der Regulierung und der Fall wird an einen Betrugsspezialisten übergeben.
Laut Jacobi wurde die Betrugssoftware in nur fünf Monaten entwickelt und hätte schon jetzt den Mehrertrag erbracht, den das Unternehmen vorher mit der Lösung eines externen Partners nur in fünf Jahren erzielt hat.
Dass die immer schnellere und für die Versicherer effizientere Schadenregulierung weiterhin in einem starken Spannungsfeld steht, wurde, im Vortrag von Dr. Eberhard Wilkes, Geschäftsführer der Kravag Umweltschutz und Sicherheitstechnik GmbH (Kuss), deutlich.
So konnten 2021 Schäden durch den Starkregen „Bernd“, die anfänglich als Totalverluste eingestuft wurden, in vielen Fällen sehr kostengünstig durch die eigene Schadenregulierungs-Organisation abgewickelt werden. Grund sei, dass vielfach sachfremde Gutachter mit der Erstexpertise eine Fehleinschätzung vorgenommen hätten.
„Da wurde etwa in einem Fall ein Architekt, der aus dem Hausbau kam, eingesetzt“, berichtete Wilkens. Das Haus stand bis zum Dach unter Wasser und roch nach dem ausgelaufenen Heizöl. Daher ging der Gutachter von einem Totalschaden in Höhe von 650.000 Euro aus.
Nach Säuberung und Sanierung durch Kuss habe der Schaden gerade einmal 12.000 Euro betragen. Wilkens verweist darauf, dass mit einem eigenen Schadenregulierer viel niedriger Preise zu erzielen sind. Das gelte auch, wenn hybrid mit zusätzlichen Fremdfirmen gearbeitet werden muss, weil die eigene Organisation über eine hohe Expertise und ein gutes Netzwerk verfügt.
Sehr kritisch äußerte sich hingegen Dr. Mark Wilhelm von der Kanzlei Wilhelm Rechtsanwälte Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB. Der Jurist vergleicht die Flutschadenregulierung mit dem Streit um die Betriebsschließungs-Versicherung (BSV).
Hier hätten die meisten Assekuranzen nur ein mageres Vergleichsangebot vorlegt, weil sie der Meinung sind, dass es eigentlich gar keine Deckung für coronabedingte Schließungen gibt. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun in einer Entscheidung bestätigt (27.01.2022).
Laut Wilhelm habe es nach dem Starkregen „Bernd“ teilweise unseriöse Abfindungsangebote gegeben, die die Notlage der Hausbesitzer ausgenutzt hätten. Zudem habe es vielfach Auseinandersetzungen darüber gegeben, ob Gebäude überhaupt noch sanierungsfähig seien.
Trotz Digitalisierung wären wohl viele Schadenabteilungen durch den Kumulschaden überfordert gewesen, schätzt der Anwalt und fordert für jeden Schadenfall eine detaillierte und schnelle Einzelfallprüfung.
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