25.5.2023 – Hatte es zuletzt noch so ausgesehen, als würde EU-Kommissarin Mairead McGuinness in Sachen Provisionsverbot etwas zurückrudern, stellt sich der Entwurf für die „Kleinanlegerstrategie“ nun doch strenger dar. Er sieht für Versicherungsanlage-Produkte nicht nur – mit bestimmten Ausnahmen – ein Provisionsverbot im beratungsfreien Vertrieb vor, sondern auch eines im Vertrieb mit unabhängiger Beratung.
Lange erwartet – nun ist er da: Am Mittwoch hat die EU- Kommission den Entwurf für die „Kleinanlegerstrategie“, englisch „Retail Investment Strategy“, vorgelegt. Es ist aber kein „zusätzliches“ Gesetzeswerk, vielmehr handelt es sich rechtstechnisch um zweierlei:
Der Vorschlag für die Änderungsrichtlinie umfasst – in der derzeit nur englisch vorliegenden Sprachversion – 74 Seiten, wovon 31 der IDD gewidmet sind.
Der in den letzten Monaten am heißesten diskutierte Punkt betrifft die Vergütung. Nach einigem Hin und Her hatte es zuletzt so ausgesehen, als wäre ein „umfangreicheres“ Provisionsverbot bis auf Weiteres kein „akutes“ Thema (VersicherungsJournal 12.1.2023, 17.3.2023, 28.4.2023).
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass der nun vorliegende Entwurf kein generelles Provisionsverbot vorsieht. Bei näherem Hinsehen finden sich im Zusammenhang mit Versicherungsanlage-Produkten (IBIPs) allerdings in Teilbereichen sehr wohl Einschränkungen.
Da wäre zunächst der gänzlich neue Artikel 29a. Er statuiert – grundsätzlich – ein Provisionsverbot in Bezug auf Produkte nach dem überarbeiteten „Artikel 30 (2) und (3)“. Kurz gesagt, ist damit der beratungsfreie Vertrieb gemeint. Oder wie es die Kommission in einer Mitteilung formuliert: „reine Verkäufe“.
Von diesem Provisionsverbot gibt es bestimmte Ausnahmen. Nach diesen wären lediglich geringfügige Zuwendungen beziehungsweise solche, die keinen Interessenkonflikt auslösen können, nicht erfasst. Auch für die Bereitstellung der Dienstleistung „notwendige“ Zahlungen wären vom Verbot ausgenommen.
Quelle: Entwurf der EU-Kommission |
Member States shall ensure that insurance intermediaries or insurance undertakings that manufacture insurance-based investment products or distribute such products in accordance with Article 30(2) and (3) do not pay or receive any fee or commission, or provide or are provided with any non-monetary benefit with regard to the provision or distribution of an insurance based investment product, to or by any party except the customer or a person on behalf of the customer. The prohibition contained in the first sub-paragraph shall not apply to minor non-monetary benefits of a total value below EUR 100 per annum or of a scale and nature such that those benefits do not impair compliance with the insurance intermediary’s or insurance undertaking’s duty to act in the best interests of their customer provided those benefits have been clearly disclosed to the customer. Any payment or benefit which enables or is necessary for the provision of services, including regulatory levies or legal fees, and which by its nature cannot give rise to conflicts with the insurance intermediary’s or insurance undertaking’s duty to act honestly, fairly and professionally in accordance with the best interests of their customers, shall not be subject to the requirements set out in the first subparagraph. |
Ein Provisionsverbot in den Entwurf geschrieben hat Kommissarin Mairead McGuinness aber auch für den Vertrieb von IBIPs, zu denen eine unabhängige Beratung geboten wird.
Im neuen Absatz 5b in Artikel 30 heißt es nämlich: Wenn ein Kunde darüber informiert wird, dass der Vertreiber „auf unabhängiger Basis“ berät, soll Letzterer keine Provisionen oder sonstige monetäre oder nicht-monetäre Zuwendungen von dritter Seite annehmen.
Quelle: Entwurf der EU-Kommission |
Member States shall require that, where an insurance intermediary or insurance undertaking distributing insurance-based investment products informs the customer that advice is given on an independent basis, the insurance intermediary or insurance undertaking: (a) assesses a sufficiently large number of insurance products available on the market which are sufficiently diversified with regard to their type and product providers to ensure that the customer’s objectives can be suitably met and shall not be limited to insurance products issued or provided by entities having close links with the insurance intermediary or insurance undertaking; (b) not accept and retain fees, commissions or any monetary or non-monetary benefits paid or provided by any third party or a person acting on behalf of a third party in relation to the provision of the service to customers. |
Der AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung e.V. sieht als positiv an, dass in dem Entwurf kein generelles Provisionsverbot mehr enthalten ist.
Dass unabhängig Versicherungsmakler keine Provisionen mehr für die Vermittlung von Versicherungsanlage-Produkten erhalten sollen, lehnt die Interessenvertretung ab.
Der geschäftsführende AfW-Vorstand Norman Wirth erklärte: „Wir halten es für komplett abwegig, dass dieses wettbewerbsverzerrende Vorhaben im Sinne von Verbraucherschutz sein soll.
Makler würden im Wettbewerb gegenüber gebundenen Vertretern massiv benachteiligt und diskriminiert.
Wir werden auf eine ersatzlose Streichung dieser europarechtswidrigen Regelung hinwirken.“
Kritisiert wird an dem Entwurf zudem, dass darin in vielen Punkten eine überbordende Bürokratie angelegt sei.
Wir halten es für unangemessen, strengere Regulierungen für alle Mitgliedstaaten vorzunehmen.
Michael H. Heinz, BVK
Der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute e.V. (BVK), Michael H. Heinz, begrüßte in einer Pressemitteilung zwar, dass im Entwurf der Kommission kein generelles Provisionsverbot vorgesehen ist.
„Baustellen“ sieht der BVK dennoch. So fordert er, dass Makler auch weiterhin gegen Courtage Versicherungsanlage-Produkte vermitteln dürfen. In dem Bemühen, ein Provisionsverbot zu verhindern, werde man „nicht nachlassen“, unterstreicht Heinz.
Trotz positiver Aspekte des Entwurfs solle die EU „nicht übers Ziel hinausschießen“, so Heinz.
„Denn wir halten es für unangemessen, strengere Regulierungen für alle Mitgliedstaaten vorzunehmen, obwohl nur bei einigen wenigen EU-Ländern Probleme aufgetaucht sind.“
Vielmehr „wäre es im Hinblick auf die Kosten und die Rechtssicherheit für alle Marktteilnehmer besser gewesen, die bereits bestehenden Regelwerke nachzuschärfen, anstatt neue Aufsichtsinstrumente implementieren zu wollen“.
Es sollte weiterhin […] möglich sein, sowohl gegen Provision als auch auf Honorarbasis tätig zu werden.
Martin Klein, Votum
Bereits vor einigen Tagen kursierte eine nicht offizielle, „geleakte“ Version des Entwurfs, in der die Passage mit dem Provisionsverbot in Artikel 30 ebenfalls zu lesen war.
Martin Klein, geschäftsführender Vorstand des Votum Verbands Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa e.V., hatte nach deren Bekanntwerden betont, dass es diese Bestimmung „in sich“ habe (VersicherungsJournal 10.5.2023).
Der europäische Markt kenne kaum ein weiters Land, in dem der Marktanteil von Maklern so groß ist wie in Deutschland, sagte Klein damals.
Eine EU-weit einheitliche Regelung könne daher nicht auf die spezifischen Märkte der einzelnen Länder Rücksicht nehmen.
„Es sollte weiterhin allen Vermittler in der EU möglich sein, sowohl gegen Provision als auch auf Honorarbasis tätig zu werden“, pochte Klein auf den Erhalt der „Dualität der Vergütungssysteme“.
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) übte sich in einer ersten Reaktion am Mittwoch in Zurückhaltung.
„Die gute Nachricht lautet: Ein generelles Provisionsverbot ist zunächst vom Tisch”, sagte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen in einer Aussendung. Ein solches „wäre kontraproduktiv in Zeiten, in denen wir in Deutschland um die Reform der geförderten privaten Altersvorsorge ringen“.
Insgesamt würden die Regeln für die Produktgestaltung und für die Vermittlung von Anlageprodukten rigider und komplexer, urteilt der GDV über den Entwurf.
Das Ziel der EU-Kommission, breite Bevölkerungsschichten an die Finanzmärkte zu bringen und ihnen den Vermögensaufbau zu erleichtern, werde so erschwert.
Der Entwurf biete aber auch Chancen. Als Beispiele nennt der GDV die Themen finanzielle Verbraucherbildung und die digitale Bereitstellung der Verbraucher-Informationen, die kurz und verständlich sein sollten. Vor diesem Hintergrund will sich der GDV nun „intensiv“ ins Legislativverfahren einbringen.
Denn mit der Vorlage des Entwurfs ist freilich nur der erste Schritt im Gesetzgebungsprozess getan. Beschlossen werden muss das Gesetzespaket vom Europäischen Parlament und vom (Minister-)Rat der EU.
Nach Einschätzung des BVK wird der nun beginnende politische Dialog zwischen den Institutionen einige Monate in Anspruch nehmen.
Die Entwürfe sind auf der Website der EU-Kommission abrufbar.
Siegfried Hartmann - Provsionssystem schützt den Verbraucher. mehr ...
Peter Schramm - Einfach solch völlig unnötige Behauptungen gegenüber Kunden unterlassen. mehr ...
Thomas Leithoff - Ein Versicherungsmakler ist im Rechtssinne nicht unabhängig. mehr ...
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