Frauen sind der Versicherungswirtschaft immer noch fremd

15.11.2023 – Eigentlich ist alles da: die richtigen Produkte, die Vertriebspower, die Abschlusswege. Und trotzdem finden die Versicherer keinen Zugang zur weiblichen Klientel. Die Lösung heißt Engagement, Beratung auf Augenhöhe und Empathie – und das fehlt der Branche immer noch, wie auch die DKM wieder zeigte.

Die Erkenntnis ist nicht neu, aber trotzdem bitter: Frauen sind für die Assekuranz immer noch fremde Wesen. Das gilt für Frauen als Zielgruppe als auch als dringend gesuchte Fachkräfte. Kampagnen oder Initiativen zu den beiden Themen gibt es nur vereinzelt.

Drei Lebensversicherer wagen sich aus der Deckung

Cornelia Hefer (Bild: privat)
Cornelia Hefer (Bild: privat)

Rund jede zweite Frau (47 Prozent) aber nur 37 Prozent der Männer in Deutschland stimmen der Aussage zu, sich mehr mit ihrer finanziellen Ruhestandsplanung beschäftigen zu müssen, das Thema allerdings vor sich herzuschieben (VersicherungsJournal Medienspiegel 18.10.2023).

Die Aussage weist durchaus auf einen gewissen Beratungsnotstand bei der weiblichen Klientel hin. Verstanden hat das die Allianz Lebensversicherungs-AG. In einer Kampagne auf Youtube thematisiert der Marktführer die spezifische Absicherung der Verbraucherinnen fürs Rentenalter.

Nachgezogen hat die Bayerische Beamten Lebensversicherung a.G. (die Bayerische). Mit dem Podcast „Frausichert“ wollen die Münchener Wissenslücken schließen, informieren und Frauen dazu mobilisieren, ihre finanzielle Vorsorge anzupacken (21.10.2022).

Die Stuttgarter Lebensversicherung a.G. bringt jetzt die „Kampagne zum Thema Frauenfinanzen“ an den Start. Die Aktion „Hör auf Dich“ stellt das Unternehmen auf seinem Vermittlerportal vor. Im Jahr 2023 sind das gerade mal drei Lebensversicherer, die einen Schritt auf eine große Zielgruppe zugehen. Das ist ein bisschen wenig.

DKM brennt nicht gerade für „Altersvorsorge für Frauen“

Auf der diesjährigen DKM, die Leitmesse der Finanz- und Versicherungsbranche, schaffte es die Aufgabe, Frauen für Finanzplanung zu gewinnen, erst zum zweiten Mal auf die Agenda. Unter dem eher phantasielosen Titel „Altersvorsorge für Frauen: Auch im Alter unabhängig bleiben!“ versuchten drei Teilnehmer auf dem Podium das Thema zu beleuchten.

Dazu gehörten Halime Dzeladini, Key Account Managerin Insurance, bei der DWS-Group, Tanja Schmidt, Vertriebsmanagerin bei der Lebensversicherung von 1871 a. G. München (LV 1871) und Björn Fischer, Hauptabteilungsleiter Marketing der Volkswohl Bund Versicherungen.

Die Zuhörer im vollbesetzten Raum in Dortmund wurden enttäuscht, was nicht an den drei genannten Vertretern lag, sondern an der Moderation von Professor Michael Hauer, Geschäftsführer beim Institut für Vorsorge und Finanzplanung GmbH.

Hauer konnte seine eindeutig männliche Perspektive, die Frauen nicht als selbstständig denkende und handelnde Personen begreift, nicht verlassen, was die Diskussion immer wieder abwürgte.

Frauen wird selbstständiges Denken abgesprochen

„Wichtige Aspekte wie mögliche Beratungsansätze oder der argumentative Zugang zur weiblichen Zielgruppe kamen viel zu kurz. Schade, dass die beiden Frauen auf dem Podium kaum mal ausreden konnten“, meinte eine Maklerin nach der Veranstaltung resigniert.

Auch ein Vermittler mit nach eigener Aussage zwei erwachsenen Töchtern kritisierte den Moderator dafür, dass er „Frauen in Finanzfragen selbstständiges Denken“ abspreche. Und damit auch die Kompetenz eigene Entscheidungen in Geldangelegenheiten zu treffen. Der Mann bekam für seinen Einwurf viel Beifall aus dem Publikum.

Dass Sparerinnen durchaus eine anspruchsvolle und lohnende Klientel sind, belegen Gespräche aus der Praxis. Anlegerinnen, die gut verdienen, wünschen sich eine konzeptionelle Beratung, die sich an der entsprechenden Lebensphase orientiert. 

Gerade Frauen ab 45 Jahren verfügen nach einer Scheidung oder einer Erbschaft oft über Kapital, das umgeschichtet oder investiert werden muss (3.3.2023). Leider ist das eine Zielgruppe, die von der Finanz- und Versicherungsbranche nicht wahrgenommen wird.

Feige war die Branche bereits 2022

Kurzer Rückblick auf 2022: Auch im Vorjahr war der Erkenntnisgewinn in Dortmund zum Thema „Altersvorsorge für Frauen – ein Thema, das alle etwas angeht“ eher gering.

Wichtigste Aussage: Es fehlen nicht die Produkte, sondern die Empathie und eine Beratung auf Augenhöhe. 

„Seien wir ehrlich, unsere Branche ist zu feige, Frauen vernünftig anzusprechen, zu fördern und Bedingungen zu schaffen, um sie als Kolleginnen für die Beratung zu gewinnen“, sagte 2022 Dietmar Stumböck, Mitglied des Vorstandes bei den VPV Versicherungen (1.11.2022). Ein Jahr später hat sich nicht viel geändert.

Ansprechen, wollte die DKM in diesem Jahr genau diese Kolleginnen mit dem neuen Format „Femsurance“, ein Kongress für die in der Branche tätigen Frauen.

Vema: Ansprache weiblicher Fachkräfte läuft noch nicht

Auch andere Initiativen zielen auf die Akquise von weiblichen Fachkräften für die Versicherungswirtschaft ab, wie zum Beispiel die Kampagne „Sheroes Of Insurance“ der Vema Versicherungsmakler Genossenschaft e.G. (27.2.2023).

Managerinnen sollen im Rahmen der Aktion jungen Frauen aus der Praxis berichten, wie der Job, die berufliche Praxis und der Karriereweg funktionieren (können). Dafür stellt der Maklerverbund die entsprechende Plattform bereit.

Der Durchbruch ist aber noch nicht in Sicht. „Aktuell bleibt die Aktion etwas hinter ihrem Potenzial, da ‚Sheroes Of Insurance‘ ein relativ junges Projekt ist, das gegenwärtig lediglich in den eigenen Reihen beworben wird“, erklärt die Vema auf Nachfrage. Das Projekt werde in jedem Fall bis Jahresende laufen. „Im neuen Jahr wird beurteilt, wie es weitergehen wird.“

Der Initiative der Vema sollte man mit Respekt begegnen. Immerhin ein Akteur, der sich dem Thema Nachwuchsgewinnung widmet. Die Branche insgesamt zeigt dagegen wenig Bereitschaft, das Thema öffentlichkeitswirksam anzupacken.

 
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