4.7.2025 – Nach dem Sinken einer Autofähre im Nordatlantik haben die Reederei, die Schiffseigner und fünf Versicherer den VW-Konzern auf Schadensersatz verklagt. Der Verdacht: Fehlerhafte Lithiumbatterien haben einen Brand ausgelöst. Der erste Verhandlungstermin vor dem Landgericht Braunschweig hat verdeutlicht, dass die dahinterstehenden Fragen sehr komplex sind.
Am 16. Februar 2022 geriet das Frachtschiff „Felicity Ace“ der japanischen Reederei Mitsui O.S.K. Lines südlich der Azoren in Brand, als es Fahrzeuge von Deutschland aus in die Vereinigten Staaten transportierte. An Bord hatte es knapp 4.000 Autos der Volkswagen AG – darunter Modelle von Audi und VW sowie Luxuswagen von Porsche, Lamborghini und Bentley.
Die Besatzung konnte gerettet werden, nachdem sie von einem Patrouillenschiff der portugiesischen Marine an Bord genommen worden war. Das 200 Meter lange Schiff trieb jedoch eine Woche lang brennend im Atlantik, Löschversuche blieben zunächst vergebens. Am 1. März soll es nach Angaben der Reederei schließlich gekentert und gesunken sein.
Der Untergang des Megafrachters beschäftigt inzwischen auch das Landgericht Braunschweig. Am 2. Juli fand eine erste mündliche Verhandlung statt. Dabei ging es erneut um die Frage, wie hoch das Brandrisiko von Batterien in Elektroautos ist – und ob für deren Transport besondere Sicherheitsvorkehrungen erforderlich sind.
Konkret haben sieben Klageparteien gegen zwei Tochtergesellschaften der Volkswagen AG geklagt und fordern Schadensersatz. Unter den Klägern sind die Reederei, die Eigentümerin des Schiffes sowie fünf Seekaskoversicherer, wie Benedikt Eicke, Richter am Landgericht Braunschweig, dem VersicherungsJournal berichtet.
Die Namen der Versicherer konnte Eicke nicht nennen – es soll sich laut einem Bericht der TAZ Verlags- und Vertriebs GmbH jedoch auch der Allianz-Konzern darunter befinden. Eicke sagte darüber hinaus, dass auch japanische Versicherungsgesellschaften unter den Klägern seien. Eine Anfrage bei der Allianz blieb bis zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses unbeantwortet.
Die Kläger machen geltend, dass die Lithium-Ionen-Batterien von vier Porsche Taycan sich selbst entzündet und so den Brand ausgelöst haben. Demnach hätte die Volkswagen Konzernlogistik GmbH & Co. OHG die Reederei auf die besonderen Gefahren des neuen Porsche-Modells hinweisen müssen. Das sei unterblieben – weshalb man auf das Brandrisiko nicht vorbereitet gewesen sei.
Der VW-Konzern streitet die Anschuldigungen ab. „Volkswagen hält die Vorwürfe für unbegründet und wird sich energisch verteidigen“, sagte ein Unternehmenssprecher der Hessische/Niedersächsische Allgemeine, einem Medium der Ippen-Gruppe. Man habe die Reederei auf mögliche Gefahren hingewiesen.
Dabei geht es auch um die Frage, was den Brand tatsächlich ausgelöst hat. Die Kläger stützen sich auf Aussagen der Schiffsbesatzung, die zeitig zu Protokoll gaben, dass sich die Porsche selbst entzündet haben.
VW hingegen behauptet, der Brand sei an einer anderen Stelle des Schiffs entstanden – und stützt sich auf Videoaufnahmen der portugiesischen Marine. Demnach seien keine E-Autos für den Untergang verantwortlich. Auch sei die Sicherheitstechnik auf dem Schiff mangelhaft gewesen. Beide Seiten legten sich widersprechende Gutachten vor.
Die mündliche Verhandlung am Mittwoch brachte noch kein Ergebnis, wie Benedikt Eicke dem VersicherungsJournal berichtet. Zunächst habe der Vorsitzende Richter Ingo Michael Groß die Rechtslage erörtert und auf offene Punkte hingewiesen.
Demnach sei auch noch keine Beweisaufnahme vor Gericht angestoßen worden. Bis zum 8. Oktober hätten beide Parteien Zeit, offene Fragen zu klären und vorzutragen. Erst dann entscheide das Gericht, ob überhaupt mit der Beweisaufnahme begonnen werde – zum Beispiel durch die Befragung von Zeugen und die Auswertung von Gutachten.
Unklar ist darüber hinaus, wie hoch der Schaden für die Reederei und die Versicherer überhaupt ist und entsprechend der Streitwert. Üblicherweise bewegen sich die Kosten nach dem Untergang von Frachtfähren im dreistelligen Millionenbereich.
Mit einer schnellen Klärung des Rechtsstreits rechnet das Landgericht nicht. Neben der Frage, wie der Brand überhaupt entstanden ist und was der Auslöser war, müssten auch noch Vertragsdetails geklärt werden – etwa zu den Versicherungs- und Transportverträgen. Entsprechend sei auch der Ablauf des missglückten Transports im Detail zu klären und ob das Schiff ausreichend Brandschutz betrieb.
Für Aufsehen sorgte es Anfang 2023, dass sich die norwegische Reederei Havila Kystruten AS entschloss, keine Elektro-, Hybrid- und Wasserstoffautos an Bord ihrer Schiffe mehr zu transportieren. Das Unternehmen begründete dies mit der Brandgefahr, die von E-Autos ausgehen würde. Das Unternehmen ist auf touristische Reisen spezialisiert.
Hierzu positionierte sich auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) in einer Stellungnahme. Statt dass Reedereien Elektroautos vom Transport ausschließen, forderte der Verband bessere und modernere Löschsysteme auf Schiffen.
„Elektroautos brennen nicht öfter als Verbrenner, aber sie brennen anders“, sagte Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des GDV. Er verwies darauf, dass es keine einheitlichen Sicherheitsstandards für den Transport von E-Autos gebe. Die Löschsysteme auf vielen Fähren seien immer noch die gleichen wie vor 50 Jahren und hätten mit der Größenentwicklung und den Brandlasten der Schiffe nicht Schritt gehalten.
„Systeme mit Hochdruck-Wassernebel könnten im Gegensatz zu den herkömmlichen CO2-Löschsystemen helfen, die Gefahr eines brennenden E-Autos beherrschbar zu machen“, so Asmussen. Die klassische Löschtechnik mit Kohlenstoffdioxid, die dem Feuer den Sauerstoff entzieht, sei bei Elektrofahrzeugen wirkungslos – denn diese setzen beim Brand selbst CO2 frei.
Zuvor hatten mehrere Brände auf Schiffsfähren für Schlagzeilen gesorgt, bei denen mutmaßlich E-Autos Auslöser waren. Doch der GDV hatte bereits in einem früheren Artikel darauf hingewiesen, dass die Brandgefahr keineswegs nur Elektroautos betrifft.
Nach einer Statistik der Cefor - The Nordic Association of Marine Insurers brechen jährlich auf 1,5 Prozent der Autofähren Feuer aus – also auf jedem 65. Schiff.
Eine weitere Analyse der International Maritime Organisation (IMO) der Vereinten Nationen komme zu dem Ergebnis, dass 80 Prozent dieser Brände von Autos an Deck ausgelöst werden. Mehr als ein Viertel der Vorfälle war dabei auf brennende Kühlaggregate von Lkw-Aufliegern zurückzuführen.
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