Reiseversicherer darf bei Stornierung kein Attest verlangen

14.9.2023 – Wegen der Benachteiligung von Kunden zog die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg vor Gericht und klagte gegen die Ergo. Diese hatte in ihren Bedingungen zur Reiseversicherung geschrieben, dass vor dem Stornieren ein ärztliches Attest vorliegen müsse. Die Richter beurteilten dies, wie auch die Verbraucherzentrale, als rechtswidrig.

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Eine den Kunden benachteiligende Klausel in Zusammenhang mit der Reiseversicherung der Ergo Reiseversicherung AG hat die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e.V. auf den Plan – und auf die Barrikaden gebracht.

Hintergrund ist der in den Versicherungs-Bedingungen festgehaltene Passus der Ergo, bei „unerwarteter schwerer Erkrankung; schwerer Unfallverletzung; Schwangerschaft; Impfunverträglichkeit; Bruch von Prothesen; Lockerung von implantierten Gelenken: Ein ärztliches Attest mit Diagnose und Behandlungsdaten“ vorzulegen, bevor eine geplante Reise storniert wird.

Hier sah die Verbraucherzentrale ein Problem für den Kunden und forderte eine Unterlassungserklärung seitens des Versicherers. Dieser weigerte sich, eine derartige Erklärung abzugeben. Daher reichte die Verbraucherzentrale beim Landgericht München Klage ein.

Ergo verweist auf seine Kunden-Einschätzung

Die Ergo argumentierte für die Klausel: „Ein Versicherter ohne medizinische Fachkenntnisse werde in der Regel letztlich kaum in der Lage sein, zu beurteilen, ob er unerwartet so schwer erkrankt ist, dass infolgedessen Reiseunfähigkeit besteht beziehungsweise die planmäßige Durchführung der Reise objektiv unzumutbar ist“.

Daher sei einem Versicherungsnehmer schon aus eigenem Interesse daran gelegen, sich zum Arzt zu begeben. Das Attest dürfe zudem nicht von einem verwandten Arzt ausgestellt werden. Des Weiteren bestehe ein Missbrauchsrisiko, wenn kein Attest gefordert werde.

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Gericht sieht Unrechtmäßigkeit in der Attest-Forderung

Die Richter fällten am 31. August 2023 (12 O 13566/22) jedoch ein Urteil zugunsten der Verbraucherzentrale. Die entsprechende Klausel in den Versicherungs-Bedingungen sei rechtswidrig und daher unzulässig.

„Die Bestimmung einer Pflicht, das ärztliche Attest vor der Stornierung einholen zu müssen, stellt eine unangemessene Benachteiligung der Verbraucher i.S.d. §307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB dar, da sie wesentliche Rechte der Verbraucher, die sich aus der Natur des Reiseversicherungs-Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist“, erklärte das Gericht.

Ein Kunde, der von einer unerwarteten schweren Erkrankung betroffen sei, werde zudem allein schon aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sein, die Reise sogleich zu stornieren.

Ergo muss sich dem Urteil unterwerfen

Durch die bestimmte Pflicht, vor einer Stornierung ein Attest einzuholen, werde der Versicherungsschutz als Kardinalspflicht des Versicherers in den Fällen ausgehöhlt, in denen eine kurzfristig vor dem Antritt eintretende, die Mobilität einschränkende oder nur von einem Facharzt zu beurteilende Erkrankung vorliege.

Denn dann sei eine Vorstellung beim Arzt der allgemeinen Lebenserfahrung nach nicht mehr realisierbar, so argumentierte das Gericht.

Hält sich die Ergo nicht an die Vorgabe des Gerichts, droht eine Geldstrafe in Höhe von 250.00 Euro pro Verletzung. Der Versicherer wird ferner zu einer Zahlung von 243,51 Euro plus Zinsen an die Verbraucherzentrale verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Der Versicherer erklärte gegenüber dem VersicherungsJournal: „Die Ergo Reiseversicherung teilt die Ansicht nicht, dass durch die streitgegenständliche Klausel Verbraucherinnen und Verbraucher benachteiligt werden und wird daher Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens keine Stellungnahme abgeben werden.“

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AVB · Gesundheitsreform · Reiseversicherung · Verbraucherschutz · Zinsen
 
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