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Hausratversicherer muss für Leitungswasserschäden an Fliesen zahlen

14.11.2025 – Sieht eine Klausel in der Hausratversicherung vor, dass der Versicherer auch für Schäden durch Leitungswasser an Bodenbelägen zahlt, umfasst dies nach Ansicht des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts auch die Kosten für Fliesen. Dies gilt selbst dann, wenn sie nur im Zuge notwendiger Reparaturen entfernt und erneuert werden müssen. Der Versicherer kann sich dabei nicht darauf berufen, dass es sich nicht um Hausrat im engeren Sinne handelt.

Nach einem Leitungswasserschaden mussten in der betroffenen Wohnung unter anderem der Estrich und die Dämmung unter den Fliesen erneuert werden. Hierfür war es auch notwendig, dass die darüberliegenden Kacheln entfernt und ersetzt werden, auch wenn diese selbst nicht direkt vom Wasser beschädigt wurden. Für den Austausch fielen Kosten von rund 10.405 Euro an.

Wohngebäudeversicherer fordert hälftige Kostenübernahme

Der Wohngebäudeversicherer des Wohnungseigners übernahm zunächst die Kosten für den Austausch der Fliesen. Danach machte er gegenüber dem Hausratversicherer des Geschädigten einen hälftigen Ausgleichsanspruch geltend.

Er berief sich dabei auf § 8 VHB (Allgemeine Hausratversicherungsbedingungen), wonach auch Reparaturkosten für Bodenbeläge unter den Versicherungsschutz der Hausratversicherung fallen können.

Der Hausratversicherer weigerte sich jedoch, den Schaden anteilig zu übernehmen. Er argumentierte, die Fliesen seien fest mit dem Gebäude verbunden und daher kein Hausrat im Sinne der Versicherungsbedingungen. Daraufhin zog der Wohngebäudeversicherer vor Gericht, um den hälftigen Ausgleich geltend zu machen.

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Hausratversicherer muss Kosten anteilig übernehmen

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) kam in einem Hinweisbeschluss vom 1. Oktober 2025 (16 U 98/24) zu dem Ergebnis, dass der Hausratversicherer zur Zahlung des hälftigen Kostenanteils verpflichtet ist, und bestätigte damit die Entscheidung der Vorinstanz.

Das OLG hob hervor, dass das Landgericht zutreffend davon ausgegangen sei, dass im Hinblick auf die Fliesen eine Mehrfachversicherung bestehe und die Beklagte gemäß § 78 Absatz 2 VVG einen hälftigen Ausgleich schulde.

Dabei hob das OLG darauf ab, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Vertragsbedingungen bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen würde.

Fliesen als „Bodenbelag“ eingestuft

Zwar seien Fliesen kein Hausrat gemäß der Definition im vorliegenden Vertragswerk, führt das OLG aus, über § 8 VHB seien sie jedoch abgesichert. In der Klausel heiße es explizit, versichert seien „Reparaturkosten für Leitungswasserschäden an Bodenbelägen“. Das Gericht wies darauf hin, dass Fliesen nach allgemeinem Sprachgebrauch als Bodenbelag gelten.

Anders als die darunterliegenden Schichten Estrich und Dämmung gelte die oben aufliegende Schicht auch im juristischen Sinn regelmäßig als Bodenbelag, erläutert das Gericht unter Verweis auf die Fachliteratur.

Auch enthalte die Bodenbelags-Klausel des Versicherers keine Einschränkung dahingehend, dass nur Bodenbeläge erfasst sein sollen, die durch austretendes Leitungswasser unmittelbar durchnässt werden können oder lediglich lose mit dem Untergrund verbunden sind. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer habe daher keinen Anlass, von einer solchen Einschränkung auszugehen.

Folgeschäden werden nicht explizit ausgeschlossen

Zudem habe der Versicherer keine Einschränkung dahingehend vorgegeben, dass nur „unmittelbare Schäden“ durch Leitungswasser versichert seien, heißt es weiter. Entsprechend seien – wie im vorliegenden Fall – auch Folgeschäden durch Leitungswasser abgesichert.

Eine entsprechende Einschränkung auf unmittelbare Schäden dürfe nicht in den Vertrag „hineingelesen werden“, wenn der Versicherer sie nicht formuliert habe.

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer erwarte, dass im Zuge eines Leitungswasserschadens notwendige Arbeiten am Bodenbelag insgesamt ersetzt werden. Hier sei gleichgültig, ob dieser selbst durchfeuchtet gewesen sei oder lediglich bei der Schadensbeseitigung beschädigt wurde.

Für die Einstandspflicht des Hausratversicherers reiche es daher aus, wenn aufgrund eines Leitungswasserschadens Reparaturkosten an einem Bodenbelag anfallen, schlussfolgert das OLG.

Systematik der VHB spricht für eine weite Auslegung der Bedingungen

Darüber hinaus betont das Gericht, dass auch die Systematik der Vertragsbedingungen dafür spreche, die Einstandspflicht des Versicherers nicht auf einen engen Hausrat-Begriff zu beschränken.

Im Beschlusstext heißt es hierzu: „Zwar sind Fliesen als fest mit dem Gebäude verbundene Bestandteile kein ‚Hausrat‘ im Sinne des § 6 VHB. Die Kostenregelung in § 8 VHB verdeutlicht aber, dass der Versicherer auch für bestimmte, über den engeren Hausratsbegriff hinausgehende Schadenspositionen einzustehen hat.

Dass unter § 8 VHB neben Hotelkosten und Transportkosten ausdrücklich auch ‚Reparaturkosten für Gebäudeschäden‘ (§ 8 Nr. 1 g) VHB) und ‚Bodenbeläge‘ aufgeführt sind, zeigt, dass der Versicherer eine Deckungslücke für typische Schadensfolgen, etwa von Leitungswasser, vermeiden wollte“, führt das Gericht aus.

Leserbriefe zum Artikel:

E. Daffner - Auch ein Fliesenboden kann Hausrat sein. mehr ...

 
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