1.2.2021 – Dem Haftpflichtversicherer eines Schadenverursachers ist nach einem Verkehrsunfall ab Zugang der Schadenmeldung eine angemessene Prüffrist einzuräumen. Die Frist beträgt regelmäßig vier bis sechs Wochen. Sie kann allerdings, abhängig von den Umständen des Einzelfalls, auch länger laufen. Dies entschied das Oberlandesgericht Dresden in einem Urteil vom 26. Oktober 2020 (4 W 640/20).
Nach einem Verkehrsunfall vom 23. November 2019 hatte sich der Anwalt der Geschädigten am 2. Dezember 2019, bei dem gegnerischen Versicherer gemeldet. Er hatte dabei eine Bestätigung darüber erbeten, dass er für den Schaden seiner Mandantin eintreten werde. Deren Forderung bezifferte er unter Vorlage eines Gutachtens auf vorläufig rund 7.200 Euro.
Zwei Tage später teilte ihm der Versicherer mit, dass er zur Klärung der Schuldfrage zunächst die polizeiliche Ermittlungsakte einsehen müsse. Die habe er bereits angefordert. Danach passierte zunächst einmal nichts.
Mit Schreiben vom 6. Januar 2020 meldete sich der Anwalt erneut bei dem Versicherer und schlug vor, der Assekuranz die ihm vorliegende Ermittlungsakte zur Einsicht zu überlassen. Er mahnte gleichzeitig die Regulierung des Schadens an.
Vier Tage später erweiterte der Rechtsanwalt die Forderung seiner Mandantin wegen angefallener Mietwagen- und Zulassungskosten auf rund 10.000 Euro. Knapp zwei Wochen später machte er die Forderungen seiner Mandantin schließlich klageweise geltend. Vier Tage danach wurde der Schaden von dem Versicherer reguliert. Drei Wochen später nahm der Anwalt die Klage schließlich zurück.
Die durch die Klageeinreichung entstandenen Kosten erlegte das Landgericht Chemnitz der Geschädigten auf. Denn die habe die Klage vor Ablauf der Prüffrist, die dem Versicherer zustehe, eingereicht.
Hiergegen legte der Anwalt der Frau Beschwerde beim Dresdener Oberlandesgericht ein. Diese begründete er damit, dass Haftpflichtversicherern allenfalls eine Prüffrist von vier bis sechs Wochen zugebilligt werden könne. Nach Ablauf dieser Frist bestehe ein Grund zur klageweisen Geltendmachung des Schadens.
Der Versicherer habe die Frist um mindestens eineinhalb Wochen verstreichen lassen. Daher sei es an ihm, die durch die Klageeinreichung entstandenen Kosten zu übernehmen.
Doch dem wollte sich das Oberlandesgericht Dresden nicht anschließen. Es wies die Beschwerde als unbegründet zurück.
Nach Ansicht der Richter hat das Landgericht die Kosten zu Recht der Klägerin auferlegt. Denn der Versicherer habe unter Berücksichtigung des Einzelfalls keine Veranlassung zur Klage gegeben. Nach allgemeiner Auffassung setze eine Klageveranlassung nämlich voraus, dass sich ein Beklagter vor Klageeinreichung so verhält, dass der Kläger berechtigterweise annehmen muss, ohne Klage nicht zu seinem Recht zu kommen.
Diese Voraussetzung liege bei Haftpflichtansprüchen aus einem Verkehrsunfall allerdings nur vor, wenn sich der gegnerische Versicherer zum Zeitpunkt der Klageerhebung in Verzug befindet und die ihm zuzubilligende Prüffrist verstrichen ist. Diese Frist werde jedoch erst dann in Gang gesetzt, wenn dem Versicherer eine ordnungsgemäß spezifizierte und nachprüfbare Schadenaufstellung vorliegt und er anschließend gemahnt wird.
Werde dem Versicherer vom Anwalt des Geschädigten angeboten, ihm Einsicht in die ihm vorliegende Ermittlungsakte zu gewähren, so sei die Prüffrist so lange gehemmt, bis ihm die Akte zugeht.
Eine eindeutige Aufforderung zur Regulierung des Schadens habe der Versicherer jedoch erst mit Schreiben vom 6. Januar 2020 erhalten, verbunden mit der Erklärung, die Ansprüche der Geschädigten gleichzeitig „anzumahnen“. Erst vier Tage später sei der gesamte Anspruch spezifiziert worden.
Unabhängig davon habe der Anwalt durch sein Angebot, dem Versicherer die Ermittlungsakte zu überlassen, zu erkennen gegeben, dass er bis zu deren Prüfung von weiteren Durchsetzungsmaßnahmen Abstand nehmen werde. Der Lauf der Prüffrist des Versicherers sei folglich so lange gehemmt gewesen, bis ihm die Akte vorlag.
Selbst wenn man annehmen würde, dass die Prüffrist mit Zugang des ersten Anspruchsschreibens vom 2. Dezember 2019 begonnen habe, könne diese Frist nicht für den Zeitraum bis zum Eingang der Ermittlungsakte bei dem Versicherer berücksichtigt werden.
Es komme hinzu, dass der Anwalt mit Schreiben vom 10. Januar 2020 die Forderung seiner Mandantin um die Mietwagen- und Zulassungskosten und damit knapp ein Drittel erweitert habe. Insbesondere die Höhe der Mietwagenkosten sei für den Versicherer jedoch mit nicht unerheblichem Prüfaufwand verbunden gewesen. Die Klage sei auch aus diesem Grund verfrüht eingereicht worden.
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