BGH: Bei abschließender Krankheitsaufzählung kein Corona-Schutz

27.2.2023 – Bei einer abschließenden Aufzählung von Krankheiten gewährt der Bundesgerichtshof keinen Schutz aus der Betriebsschließungs-Versicherung, wenn der Betrieb behördlich wegen Corona geschlossen wird.

Mit einem weiteren Urteil zum Streit um Schadenersatz aus der Betriebsschließungs-Versicherung (BSV) ist der Bundesgerichtshof (BGH) seiner bisherigen Linie treu geblieben. Er hat einen Leistungsanspruch für den Kläger, den Betreiber einer Gaststätte, abgelehnt (Urteil vom 18. Januar 2023, IV ZR 359/21).

Oberlandesgericht hatte Klage stattgegeben

Der Gastwirt hatte von der Vorinstanz, dem Oberlandesbericht Karlsruhe (Urteil vom 5. Oktober 2021, 12 U 107/21), noch über 10.000 Euro zugesprochen bekommen.

Denn das Oberlandesgericht war der Meinung, dass schon die Überschrift der Bedingungen „ZBBSVW“ dem Versicherungsnehmer eine Versicherung gegen Schäden „infolge Infektionskrankheiten aufgrund behördlicher Anordnungen nach dem Infektionsschutzgesetz (Betriebsschließung)“ versprechen würde. Diese Aussage sei mit der Regelung in § 1 Nummer 1 ZB-BSV zu Beginn der Versicherungs-Bedingungen bestätigt worden.

Vom Verständnis des Versicherungsnehmers

Dem Versicherungsnehmer werde damit zunächst der Eindruck vermittelt, dass jede Betriebsschließung auf der Grundlage des Infektionsschutz-Gesetzes vom Versicherungsschutz erfasst sei.

Wörtlich hatte das Oberlandesgericht ausgeführt: „Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer folge aus der Formulierung des § 1 Nr. 2 ZB-BSV, dass darin der Inhalt der §§ 6 und 7 IfSG wiedergegeben werde und die in diesen Vorschriften ‚namentlich genannten‘ Krankheiten und Krankheitserreger aufgelistet würden, um im Sinne einer klaren und deutlichen Umschreibung die ergänzende Lektüre des Gesetzes überflüssig zu machen.“

Enge Auslegung des BGH

Dem folgt der Bundesgerichtshof wieder nicht und bleibt damit der Rechtsauffassung aus seiner früheren Entscheidung treu (Urteil vom 26. Januar 2022, IV ZR 144/21) (VersicherungsJournal 27.1.2022). Nach Meinung des BGH kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer „dem klaren Wortlaut der Bedingungen“ entnehmen, dass in § 1 Nummer 2 ZB-BSV die meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger abschließend definiert werden.

Zudem sei für den Versicherungsnehmer hinreichend erkennbar, dass der Katalog in § 1 Nummer 2 ZB-BSV nicht sämtliche nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger erfasst und daher Lücken im Versicherungsschutz bestehen.

Juristen bewerten die Auslegung des Transparenzgebotes als sehr „eng“. „Der BGH hat in der Vergangenheit regelmäßig und richtigerweise hohe Anforderungen an die Transparenz von Allgemeinen Geschäfts- oder Versicherungs-Bedingungen gestellt. Mit den Entscheidungen verlassen die Karlsruher Richter diese Linie ein Stück weit“, kommentiert etwa Dr. Mark Wilhelm, Partner der Wilhelm Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB.

Verweisung hilft

In einer zweiten Entscheidung hatte der BGH eine Leistung aus den BSV-Bedingungen bejaht, weil hier die versicherten Krankheiten nicht namentlich aufgezählt wurden (19.1.2023). Stattdessen wurde hinsichtlich des Schutzumfangs auf das Infektionsschutzgesetz verwiesen.

Dort wurde das Coronavirus am 23. Mai 2020 aufgenommen. „Daher besteht ab diesem Zeitpunkt Versicherungsschutz für Betriebsschließungen aufgrund Covid-19. Das betrifft insbesondere den Lockdown ab November 2020“, erläutert Jurist Wilhelm.

„Anders als von vielen Versicherern behauptet, können Corona-bedingte Schließungen also doch von der Betriebsschließungs-Versicherung gedeckt sein. Damit konnten wir zumindest einem Teil der versicherten Gastronomen und Hoteliers in Deutschland helfen“, so Wilhelm, dessen Kanzlei die Klage betreut hatte.

Schlagwörter zu diesem Artikel
AVB · Berufsaufgabe · Betriebsschließungs-Versicherung · Coronavirus · Schadenersatz
 
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