4.2.2025 – Die Überschüsse, die Berufsunfähigkeitsversicherer ihren Kunden für Neuverträge im Leistungsfall gewähren, sind marktübergreifend gesunken. Das zeigt eine Auswertung der Finanzberatung Bierl für 37 Gesellschaften. Die Experten raten dazu, eine ausreichende garantierte Leistungsdynamik in den Vertrag zu integrieren.
In der vergangenen Woche präsentierte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) eine Analyse, wie sich der neue Höchstrechnungszins in der Lebensversicherung auswirkt. Dieser war zum Jahresanfang von 0,25 Prozent auf 1,00 Prozent gestiegen (VersicherungsJournal 30.1.2025).
Für die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) verzeichnete der Branchenverband ausschließlich positive Effekte. Laut einer Analyse von 131 Tarifen mithilfe einer Maklersoftware wird es für Neukunden günstiger, eine garantierte Berufsunfähigkeitsrente zu vereinbaren.
Anhand von fünf Modellfällen zeigte die Auswertung, dass die garantierten Berufsunfähigkeitsrenten im Median der untersuchten Tarife um rund 4,8 Prozent gestiegen sind – bei gleichbleibendem Brutto-Prämienaufwand im Vergleich zum Jahr 2024. Ausgangspunkt für die Berechnungen war eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente von 1.500 Euro.
Die Modellfälle zeigen jedoch, dass die Versicherten je nach Beruf und Risikoprofil unterschiedlich stark profitieren. So erhöht sich die garantierte Rente für einen 25-jährigen, nichtrauchenden Architekturstudenten im Median der Tarife um 8,7 Prozent. Eine 35-jährige Bäckereifachfrau, die raucht, erhält dagegen nur eine um 3,4 Prozent höhere Rente bei gleichem Beitrag.
Der gestiegene Höchstrechnungszins führt aber tendenziell auch zu verringerten Überschussbeteiligungen. Dem entsprechend erhalten Leistungsbezieher tendenziell geringere Rentensteigerungen aus den Überschüssen zugeteilt.
Das zeigt eine Auswertung der Finanzberatung Bierl GbR für neu abgeschlossene Verträge. Diese veröffentlicht das Maklerunternehmen auf dem hauseigenen Blog. Dort sind auch die Ergebnisse für die einzelnen Versicherer zu finden.
Lediglich zwei der 37 untersuchten Versicherer haben ihre Überschussbeteiligung für den Leistungsfall im Vergleich zum Vorjahr angehoben:
Die Cosmos Lebensversicherungs-AG gewährt bei Neuverträgen nun 2,00 statt 1,85 Prozent, und die Huk-Coburg-Lebensversicherung AG hat ihren Satz von 1,55 auf 1,95 Prozent erhöht.
Zwei weitere Versicherer halten ihre Überschussbeteiligung für Leistungsbezieher stabil gehalten: die Dialog Lebensversicherungs-AG gewährt wie im Vorjahr 1,65 Prozent und die Generali Deutschland Lebensversicherung AG 1,5 Prozent.
Die Mehrheit der BU-Versicherer hat aber ihre Überschussbeteiligung gesenkt: oft um jene 0,75 Prozentpunkte, die nun der Höchstrechnungszins gestiegen ist.
Aufgrund des Trends zu Senkungen gibt es aktuell laut Auswertung kaum noch einen Berufsunfähigkeitsversicherer, der einen Überschuss von mehr als zwei Prozent ausweist.
Die höchste Überschussbeteiligung zahlt die HDI Lebensversicherung AG mit 2,10 (Vorjahr 2,85) Prozent. Auf Rang zwei folgt die Nürnberger Lebensversicherung AG mit 2,05 (2,6) Prozent.
Einen Überschuss von 2,0 Prozent gewähren im laufenden Jahr die Versicherungsgruppe die Bayerische und die Cosmos. Die Bayerische senkte hierbei ihren Überschuss um 0,75 Prozentpunkte.
Auf den Plätzen folgen die Allianz Lebensversicherungs-AG mit 1,95 (2,7) Prozent, die Europa Lebensversicherung AG mit 1,90 (2,65) Prozent und die Lebensversicherung von 1871 a.G. München mit 1,85 (2,60) Prozent.
Auf der anderen Seite stehen Berufsunfähigkeitsversicherer, die ihre Kunden mit sehr niedrigen Überschüssen beteiligen. Lediglich 0,7 (1,45) Prozent zahlt demnach laut Auswertung die Helvetia Schweizerische Lebensversicherungs-AG.
Die Condor Lebensversicherungs-AG weist einen Überschuss von 0,95 (1,6) Prozent aus. Um 0,75 Prozentpunkte auf 1,0 Prozent gesenkt haben die Advigon Versicherung AG, die Hansemerkur Lebensversicherung AG, die Stuttgarter Lebensversicherung a.G. und die Swiss Life AG. Die Zurich Versicherungen sind ebenfalls auf 1,0 Prozent zurückgegangen, lagen im Vorjahr aber bei 1,55 Prozent.
Ein Sonderfall ist die Canada Life Assurance Europe plc, Niederlassung für Deutschland. Sie beteiligt ihre Kunden im Leistungsfall gar nicht an den Überschüssen. Dies resultiert aus der Besonderheit auf dem deutschen Markt, dass der Versicherer nicht mit Netto- versus Bruttobeiträgen kalkuliert.
Stark vereinfacht gibt der Bruttobeitrag die maximale Prämienhöhe an, die ein Versicherer während der Vertragslaufzeit verlangen kann. Dieser wird in den Versicherungsbedingungen festgelegt und bleibt unabhängig von der tatsächlichen Entwicklung der Überschüsse des Versicherers: mehr darf er laut Gesetz nicht verlangen.
Der Nettobeitrag ist der tatsächlich zu zahlende Beitrag, der nach Abzug von Überschüssen ermittelt wird. Falls die Überschüsse ungünstig ausfallen oder der Versicherer schlecht kalkuliert, kann die Prämie bis zum maximalen Bruttobeitrag steigen.
Demgegenüber garantiert die Canada Life, dass die Prämien über die gesamte Vertragslaufzeit hinweg stabil bleiben. Das erkauft sich der Kunde allerdings dadurch, dass er nicht von einer höheren Rente durch Überschüsse profitieren kann.
Der gestiegene Rechnungszins von 0,25 Prozent auf 1,00 Prozent führt zu günstigeren Bruttobeiträgen für Neukunden, da die Versicherer weniger Kapital aufwenden müssen, um die garantierten Renten zu finanzieren.
Gleichzeitig wird durch die höheren Garantiezusagen mehr Kapital gebunden. Dadurch verringert sich der Spielraum für die Überschüsse, die über die garantierte Rente hinausgehen und als zusätzliche Leistungen an die Versicherten im Leistungsfall ausgezahlt werden.
Wie hoch die Überschüsse eines Versicherers ausfallen, hängt dabei stark vereinfachend von folgenden Faktoren ab:
Nimm die nicht garantierten Überschüsse als die Kirsche auf der Sahne.
Tobias Bierl
Die Finanzberatung Bierl rät Kunden dazu, bereits zu Vertragsbeginn eine garantierte Leistungsdynamik in den Vertrag einzubauen, um die sinkenden Überschüsse auszugleichen.
Zudem sollte ohnehin eine ausreichend hohe Berufsunfähigkeitsrente vereinbart werden, wobei es auch die Inflation zu berücksichtigen gelte.
An Kunden adressiert, schreiben die Versicherungsmakler: „Nimm die nicht garantierten Überschüsse als die Kirsche auf der Sahne, als nice to have, rechne aber bitte bei Deiner Planung nicht damit.
Rechne bitte auch nicht damit, dass Deine BU-Rente durch die Beitragsdynamik oder eine gezogene Nachversicherung eh steigt. Ein schwerer Schicksalsschlag kann Dich schon morgen treffen“.
Oft vereinbaren Kunden eine zu niedrige Berufsunfähigkeitsrente. Nach einer Auswertung des Analysehauses Franke und Bornberg GmbH lag die durchschnittlich ausgezahlte monatliche BU-Rente 2023 bei 1.098 Euro (5.5.2023). Viele Versicherte haben jedoch weniger vereinbart.
So ergab eine Stichprobe der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen von 326 Verträgen, dass die versicherte Monatsrente im Schnitt sogar nur 400 Euro beträgt. Diese Stichprobe liegt aber bereits acht Jahre zurück.
„Weiterhin bestehen große Unterschiede bei einer Kennzahl, welche nur die wenigstens Vermittler auf der Agenda haben. Die Überschüsse im Leistungsfall sind zwar nicht garantiert, sollten aber trotzdem durchaus betrachtet werden“, sagt Versicherungsmakler Tobias Bierl dem VersicherungsJournal.
„Für Personen, die sehr bald berufsunfähig werden, wäre eine Kalkulation mit dem niedrigen Rechnungszins und höheren Überschüssen im Leistungsfall sogar vorteilhafter gewesen. Aber da hoffentlich niemand vorhat, berufsunfähig zu werden, kann das „eingesparte“ Geld am besten direkt in eine garantierte Rentensteigerung investiert werden“, so Bierl.
Der GDV teilt auf Anfrage mit, dass er trotz der niedrigeren Überschüsse aufgrund der steigenden Zinsen am Kapitalmarkt mit höheren Berufsunfähigkeitsrenten für die Kunden rechnet.
„Bei laufenden Renten erwarten wir im Marktmittel für das aktuelle Jahr einen Anstieg der Gesamtverzinsung um etwa 0,2 Prozentpunkte. Dabei können die Gesamtleistungen und die Garantien steigen, aber die Überschüsse sinken“, so eine Sprecherin.
Das liege daran, „dass die Gesamtverzinsung langsamer steigt als die Garantie. Durch den höheren Garantiezins ist aber ein höherer Teil der Gesamtleistungen garantiert und kann nicht durch ungünstige Marktentwicklungen verloren gehen. Das erhöht die Planungssicherheit der Kund/innen“, so die Sprecherin.
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