R+V kündigt den Volks- und Raiffeisenbanken die Schließfach-Gruppenversicherung

9.5.2025 – Die R+V bietet Schließfach-Kunden von genossenschaftlichen Banken keine Gruppenversicherung mehr an. Anlass ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das Versicherungsnehmern von Gruppen-Policen strengere Pflichten auferlegt.

Die R+V Allgemeine Versicherung AG zieht sich aus der Gruppenversicherung für Schließfächer zurück. Deshalb kündigt sie den pauschalen Gruppenvertrag mit allen Volks- und Raiffeisenbanken, über den Kunden ihren Schließfachinhalt absichern konnten, wie ein Sprecher dem VersicherungsJournal bestätigt hat.

Zuvor hatte der Branchendienst Finanz-Szene GmbH über den Vorgang berichtet. Die betroffenen Kunden seien bereits schriftlich informiert worden. Wie viele es sind, ließ die R+V auf Nachfrage offen.

Kunden sollen ein individuelles Angebot erhalten

Der Versicherer hebt in seinem Statement hervor, dass von der Kündigung ausschließlich Gruppentarife betroffen seien.

„Wir bieten die Bankschließfachversicherung auch weiterhin an. Seitens R+V haben wir kein Interesse, uns aus dem Geschäftsfeld zurückzuziehen, und werden in Kooperation mit den Genossenschaftsbanken nach wie vor die Schließfächer unserer Kundinnen und Kunden absichern“, berichtet der Unternehmenssprecher.

Die betroffenen Kunden sollen nun ein Angebot erhalten, um die entstandene Lücke mit einem individuell vereinbarten Tarif der R+V zu schließen. Hierfür sei die Produktlinie entsprechend überarbeitet worden.

„Die Versicherung ist zu niedrigen Einstiegspreisen abschließbar und täglich kündbar. Der Schutz gegen die finanziellen Folgen von Elementarschäden wie Hochwasser ist ebenso standardmäßig enthalten wie die Gefahr eines Schlüsselverlustes. Im Schadenfall ersetzen wir beschädigte oder gestohlene Wertsachen zum Neuwert“, so der R+V-Sprecher.

Die Entscheidung, Gruppenverträge zu kündigen, haben wir nach eingehender Analyse aufsichts- und steuerrechtlicher Gegebenheiten getroffen.

R+V-Sprecher

Produktumstellung auf Einzelverträge „rechtlich notwendig“

„Die Kündigung der bisherigen Gruppenverträge ist aufgrund der Produktumstellung auf Einzelverträge rechtlich notwendig. Diese Entscheidung haben wir nach eingehender Analyse aufsichts- und steuerrechtlicher Gegebenheiten sowie veränderter Anforderungen an die Gruppenversicherung getroffen“, teilt der Sprecher mit.

Welche regulatorischen Änderungen zur Aufgabe der Gruppentarife geführt haben, lässt die R+V auf Nachfrage offen. Sie betont jedoch, dass derzeit keine weiteren Gruppenversicherungen außer der Schließfachversicherung gekündigt werden.

Schließfachmiete und Versicherung sollen getrennt werden

Konkreter wird Björn Selck, Sprecher der Volksbanken Raiffeisenbanken in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern e.V.: Künftig müssten Miete des Schließfachs und Versicherung getrennt werden, berichtet er gegenüber der SHZ Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag GmbH & Co. KG.

Der Hintergrund: Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs werfe die Frage auf, ob Banken bei Gruppenversicherungen als Versicherungsvermittler gelten – „und damit den gesetzlichen Anforderungen an Vermittlung und Beratung unterliegen“, so Selck.

Das sogenannte Gruppenversicherungs-Urteil des EuGH

Selck bezieht sich auf ein Urteil des EuGH vom 29. September 2022 (C-633/20) an, das als „Gruppenversicherungs-Urteil“ bekannt wurde (Medienspiegel 5.7.2023). Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. gegen ein Unternehmen, das einen Gruppenvertrag für Auslandsreisekrankenversicherungen als Versicherungsnehmer unterhielt.

Der Gerichtshof entschied: Vereine oder Unternehmen können als Versicherungsvermittler im Sinne des § 34d GewO gelten, wenn sie als Versicherungsnehmer eines Gruppenversicherungsvertrags auftreten – selbst dann, wenn der Beitritt für ihre Kunden freiwillig ist. In diesem Fall unterliegen sie auch den entsprechenden Qualifikations- und Weiterbildungspflichten. Diese Voraussetzungen sind:

  • Der Versicherungsnehmer muss eine Vergütung erhalten oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgen, zum Beispiel durch das Erzielen eines Gewinns. Eine Aufwandserstattung für Kosten wie Porto oder Verwaltung ist hiervon abzugrenzen. Mittelbare Vorteile, zum Beispiel die gesteigerte Attraktivität als Arbeitgeber, sind unbedenklich.
  • Die Mitgliedschaft im Gruppenversicherungsvertrag muss freiwillig sein.
  • Die versicherten Personen müssen das Recht haben, Versicherungsleistungen gegenüber dem Versicherer in Anspruch zu nehmen.
  • Unerheblich ist dabei, dass die Vergütung von den eingeworbenen Mitgliedern und nicht von der Versicherungsgesellschaft gezahlt wird. Auch der Umstand, dass die Gruppenspitze als Versicherungsnehmerin selbst Vertragspartei ist, führt nicht dazu, dass die Vermittlereigenschaft entfällt.

Bei den Versicherungen zu den Schließfächern handelt es sich um Gruppenversicherungen, bei denen die […] Sparkassen nicht als Versicherungsvermittler tätig werden.

Sparkassen- und Giroverband Schleswig-Holstein

Unterschiedliche Bewertungen des Urteils?

Dass dieses Urteil zu unterschiedlichen Einschätzungen führen kann, wann Versicherungsvermittlung vorliegt, zeigt die Antwort des Sparkassen- und Giroverbandes für Schleswig-Holstein. Die Sparkassen bieten ähnliche Gruppenverträge an, die Schließfachmiete und Versicherungsschutz kombinieren.

Ein Sprecher bestätigt der SHZ, dass sie auch zukünftig an diesen festhalten wolle. „Bei den Versicherungen zu den Schließfächern handelt es sich um Gruppenversicherungen, bei denen die schleswig-holsteinischen Sparkassen nicht als Versicherungsvermittler tätig werden“, positioniert sich der Verband gegenüber der Zeitung.

Bafin veröffentlichte Aufsichtsmitteilung zur Orientierung

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat am 4. Juli 2023 eine Aufsichtsmitteilung (PDF, 64,2 KB) veröffentlicht, die Orientierung bieten soll, wann bei Gruppenverträgen ein Versicherungsnehmer auch als Versicherungsvermittler in Erscheinung tritt.

Demnach gelte das EuGH-Urteil für sogenannte echte Gruppenversicherungen. „Wesentliches Merkmal zur Abgrenzung des echten Gruppenversicherungsvertrages von ähnlichen Vertragskonstellationen ist die Einheitlichkeit des Vertrages.

Einheitlichkeit bedeutet, dass der Gruppenversicherungsvertrag ein einziger Versicherungsvertrag mit nur einem Versicherungsnehmer beziehungsweise einer Versicherungsnehmerin als Gruppenspitze ist“, führt die Bafin aus.

Kooperations- und Rahmenvereinbarungen fallen nicht unter EuGH-Urteil

Von echten Gruppentarifen abzugrenzen seien sogenannte Kooperations- oder Rahmenverträge, auf die das Urteil nicht anwendbar sei.

„Hierunter versteht man die Vereinbarung zwischen einer Berufsgruppe oder einer Unternehmensgruppe und einem Versicherer über den Inhalt von Versicherungsverträgen, die zwischen dem Versicherer und den einzelnen Mitgliedern der Gruppe individuell geschlossen werden können“, schreibt die Finanzaufsicht.

Bei solchen Rahmenverträgen werde das einzelne Mitglied auch Versicherungsnehmer beziehungsweise Versicherungsnehmerin des Vertrages.

Keine Vergütung – keine Versicherungsvermittlung

Nicht als Versicherungsvermittler tätig werden zum Beispiel Sportvereine, die den Abschluss einer Versicherung bei Mitgliedschaft obligatorisch vorschreiben, ohne eine gesonderte Vergütung daraus zu erzielen, so berichtet die Bafin.

Auch Arbeitgeber, die eine Berufsunfähigkeits-Gruppenversicherung anbieten und sich nur den zusätzlichen Aufwand erstatten lassen, würden keine erlaubnispflichtige Vermittlung betreiben.

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