1.2.2021 – Schon die Unfallaufnahme durch die Polizei könne fehlerhaft sein. Das gelte vor allem für die Geschwindigkeit. Das sagte der Fachanwalt Jörg Elsner beim Verkehrsgerichtstag. Professor Dr. Peter Wolfgang Gaidzik warnte davor, die Rechtsschutz-Versicherung als verzichtbar zu bezeichnen.
„Es ist einer der größten Irrtümer, juristischer Laien, dass überhöhte Geschwindigkeit die Hauptursache schwerer Verkehrsunfälle ist.“ Verfahren mit zu hoher Geschwindigkeit würden in der anwaltlichen Praxis keine Rolle spielen.
Das sagte Rechtsanwalt Jörg Elsner, Mitinhaber der Advomano Zwiehoff Elsner Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, am Freitag auf dem virtuellen Verkehrsgerichtstag 2021 der Deutschen Akademie für Verkehrswissenschaft - e.V.
Nach Meinung des Fachanwalts für Verkehrsrecht unterliegen viele Polizisten bei der Unfallbeurteilung einem psychologischen Urteilsfehler und handeln daher bei der Kategorisierung vorschnell. Oft gäbe es nach dem Unfall nur die Aussagen der Beteiligten.
Daher würden Polizisten, denen der Zugang zu präzisen und vollständigen Informationen fehlt, aus „Erinnerung“ einfach immer wieder Geschwindigkeit als Ursache einsetzen. „Während nasse Straße oder Dunkelheit sehr objektive Faktoren sind, ist der Geschwindigkeitsverstoß ein ganz weicher Faktor", so Elsner.
Schon das Wissen um sogenannte Blitzmarathons, bei denen immer wieder viele Temposünder ermittelt werden, würde einen Einfluss auf die Unfallaufnahme bei Polizisten haben. „Überhöhte Geschwindigkeit als Hauptunfallursache hat damit den Stellenwert einer Self-fulfilling Prophecy.“
Die Daten zu Unfallursachen, die das Statistische Bundesamt ausweist, wären somit höchst problematisch.
Das gelte etwa für die Statistik der Getöteten. Hier führten 2019 Tempoverstöße mit 26,4 Prozent die Hauptunfallursachen-Statistik deutlich an. Nach Einschätzung des Anwalts würde die Polizei diese Rubrik automatisch ankreuzen, weil bei modernen Fahrzeugen immer eine hohe Energie für Tötungen notwendig sei.
Der Jurist verwies darauf, dass es bei der Geschwindigkeit einen breiten Beurteilungsspielraum gebe. „Die Unfallursache Geschwindigkeit wird meines Erachtens deshalb ganz erheblich überschätzt“, so Elsner. Bei Unfällen mit Personenschaden insgesamt liegt laut amtlicher Statistik 2019 die Geschwindigkeit mit 12,3 Prozent nur auf Rang vier der Hauptunfallursachen.
Entweder wird gar nicht geblinkt […] oder aber es wird erst gleichzeitig mit dem Einlenken geblinkt.
Jörg Elsner
Auffällig sei hier, dass es dabei selten um Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit gehen würde, sondern die Polizei überwiegend feststelle, dass der Autofahrer ein den Verhältnissen nicht angepasstes Tempo gefahren sei.
Viele Unfälle auf Parkplätzen sind hingegen nach Einschätzung des Verkehrsanwaltes auf zu schnelles Fahren zurückzuführen. „Schon die Schrittgeschwindigkeit kann auf Parkplätzen eine unangemessene Geschwindigkeit darstellen“, so der Jurist.
In der Praxis entständen zudem viele Unfälle, weil Autofahrer nicht mehr „Blinken“ würden. Elsner: „Entweder wird gar nicht geblinkt, aus Nachlässigkeit oder weil es vielleicht auch von einigen Verkehrsteilnehmern als ‚uncool‘ angesehen wird oder aber es wird erst gleichzeitig mit dem Einlenken geblinkt.“
Das wäre dann in der Regel zu spät. Der nachfolgende Verkehr könne sich darauf nicht mehr einstellen. Immer wieder stellt der Verkehrsanwalt fest, dass Abbieger weit nach rechts „ausholen“ würden, um dann nach links abzubiegen. Das wäre eine große Irreführung für andere Autofahrer.
Zudem machte Elsner deutlich, dass es bei einem Crash von zwei Kraftfahrzeugen in der Regel selten zur Schuldverteilung kommt. „In der täglichen Praxis ist es der Normalfall, dass nur ein Teil haftet“, so der Anwalt. Meist könne einem Beteiligten ein erhebliches Verschulden nachgewiesen werden.
Dabei verwies er darauf, dass nicht immer der sogenannte Kläger Recht habe und Recht bekomme. Elsner: „Der Kläger ist nur derjenige Beteiligte, der zuerst eine Klage erhoben hat“. Über die Schuldfrage sage dies nichts aus.
Insgesamt zeigen die Ausführung, dass es nach jedem Unfall für die Betroffenen sinnvoll ist, sich frühzeitig rechtlich beraten zu lassen. Schon die Unfallaufnahme durch die Polizei kann fehlerhaft sein. Und wer als Kläger auftritt, muss später nicht der Gewinner des Zivilprozesses sein.
Ich verstehe nicht, wie zuweilen Verbraucherschützer die Rechtsschutz-Versicherung als verzichtbar einstufen können.
Professor Dr. Peter Wolfgang Gaidzik
Ohne Kostenrisiko ist ein Streit nur unter dem Schutz einer Rechtsschutz-Versicherung möglich. Gerade beim Streit um Personenschäden, kann der Schutz existenziell sein.
„Ich verstehe nicht, wie zuweilen Verbraucherschützer die Rechtsschutz-Versicherung als verzichtbar einstufen können. Das halte ich für ein Beratungsverschulden“, sagte der Fachanwalt Professor Dr. Peter Wolfgang Gaidzik.
Mit einer Rechtsschutz-Versicherung sei dem Normalverdiener häufig eine gerichtliche Auseinandersetzung bei Gesundheitsschädigungen erst möglich, da Prozess- und Gutachterkosten sich rasch auf mehrere tausend Euro summieren können.
„Für Geringverdiener gibt es zwar die Option der Prozesskostenhilfe, die aber nicht die Kosten der Gegenseite umfasst, womit auch hier ein Kostenrisiko verbleibt“, so der Jurist.
Nils Fischer - Zu schnelles Fahren die Hauptunfallursache. mehr ...
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