2.12.2025 – Das Oberlandesgericht in Brandenburg an der Havel (OLG Brandenburg) hat die Berufungsklage eines Mannes zurückgewiesen, der bei einem Wartungsauftrag verletzt worden ist. Denn das beklagte Unternehmen muss hierfür laut der zweitinstanzlichen Entscheidung nicht haften. Der Kläger hätte sich nämlich nicht blind auf einen Schalter verlassen dürfen, der gar nicht angeschlossen war.
In dem Verfahren geht es um Schadenersatz und Schmerzensgeld nach einem Unfall in einem Einkaufszentrum, an dessen Lüftungsanlage der Kläger gearbeitet hatte. Zu klären war die Frage, ob der Unfall nicht passiert wäre, wenn bestimmte Sicherheitsregeln beachtet worden wären.
Der klagende Monteur hat laut eigenen Angaben zunächst den sogenannten Reparaturschalter gedrückt, der die Stromzufuhr während Wartungsarbeiten sicher unterbrechen soll. Der Betriebsanleitung zufolge reicht dies aus, um die Lüfteranlage komplett zu deaktivieren.
Ein nach dem Unfall als Sachverständiger beauftragter Elektromeister hat jedoch festgestellt, dass der Schalter gar nicht angeschlossen war. Stattdessen hatte ihn jemand überbrückt. Wer diese Veränderung vorgenommen hat, bleibt laut dem Urteil offen.
Das Problem: Während der Arbeiten lief die zunächst komplett stillstehende Lüftung nach einiger Zeit wieder an. Die Hand des Mannes geriet dabei plötzlich in den Motor und wurde so stark verletzt, dass der Mittel- und der Ringfinger der rechten Hand teilamputiert wurden.
Nach einem fünftägigen Krankenhausaufenthalt wurde der Mann anschließend ambulant behandelt und war drei Monate lang arbeitsunfähig. Wegen einer weiteren unfallbedingten Behandlung war er ein halbes Jahr danach erneut für drei Tage lang krankgeschrieben.
Noch immer leidet der Patient unter Schmerzen und starken Spannungen in den verletzten Fingern. Außerdem ist er besonders wetterfühlig, kann seine Hand nicht mehr zur Faust ballen und ist in seinen gesamten Bewegungs- und Arbeitsfähigkeiten erheblich eingeschränkt.
Die unfallbedingten Beeinträchtigungen schränken den Mann nach eigenen Angaben auch bei seinen täglichen Verrichtungen und in der Nachtruhe stark ein. Er leide ständig unter Handschmerzen, Schlafstörungen und Schweißausbrüchen und könne nicht länger stehen oder sitzen.
Starke Schmerzen verspüre er auch beim Heben und Tragen leichter Gegenstände über einige Meter. Dies hindere ihn daran, seine Körperpflege, das Reinigen seiner Wohnung und sonstige Arbeiten im Haushalt selbst auszuführen.
Für die Haushaltsführung macht der Kläger Kosten geltend, die sich im ersten Jahr nach dem Unfall auf insgesamt 9.297,94 Euro belaufen. Wegen weiter fortbestehender Beeinträchtigungen kalkuliert er zudem eine dauerhafte Rente von 877,50 Euro je Quartal.
Darüber hinaus ist seine Ehefrau während der stationären Behandlungen täglich zu Besuch gekommen. Hierfür seien bei einer einfachen Wegstrecke von 35 Kilometern Fahrtkosten in Höhe von 126,00 Euro entstanden. Seinen Lohnausfall beziffert der Monteur auf weitere 392,73 Euro.
Außerdem verlangt der Geschädigte mindestens 10.000 Euro als Schmerzensgeld. Für mögliche weitergehende Schäden fordert er darüber hinaus, dass das Gericht die Einstandspflicht des Betreibers des Einkaufszentrums feststellt.
Die Beklagte beantragte hingegen, die Klage komplett abzuweisen. Denn sie habe keine Pflichten verletzt. Der Auftrag an die Arbeitgeberin des Klägers erging durch einen externen Dienstleister, der eine Störung an der Anlage festgestellt hatte. In diesen Vorgang war sie nicht eingebunden.
Das Landgericht Cottbus folgte dieser Argumentation der Beklagten in einem Urteil vom 24. Oktober 2024 (2 O 183/21). Zur Begründung ihrer Entscheidung führten die Richter aus, dass die Klage im Hinblick auf sämtliche in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen erfolglos sei.
Voraussetzung für eine Haftung des Betreibers sei einerseits, dass Teile der Lüftungsanlage nicht sach- oder fachgerecht gearbeitet haben und dies die Unfallursache war. Andererseits hätte auch eine entsprechende Aufklärungsverpflichtung über die Besonderheiten der Anlage bestehen müssen.
Vielmehr habe die Beklagte in diesem Fall aber darauf vertrauen dürfen, dass fachkundiges Personal entsendet wird. Von einem Unternehmen könne nicht verlangt werden, dass es eine zu reparierende Anlage so ausgestalte, dass einer Fachkraft keinerlei Gefahren drohten. Die Pflicht zur gefahrenfreien Organisation betreffe nur Risiken, die nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Defekt stehen.
Ebenso scheitere der vom Kläger geltend gemachte Anspruch dem Urteil zufolge am Mitverschulden des Klägers. Es habe zu seinen Sorgfaltspflichten gehört, die eigene Arbeitssicherheit zu gewährleisten. Denn der Monteur könne nicht als technischer Laie angesehen werden.
Als Fachmann hätte er nach einem Blick in den Schaltplan die Überbrückung des Reparaturschalters sofort erkennen müssen. Der Kläger sei auch nicht zum ersten Mal an der betreffenden Lüftungsanlage tätig gewesen, sondern habe hieran zuletzt zwei Wochen vor dem Unfall gearbeitet.
Insgesamt habe der Mann die Besonderheiten der Lüftungsanlage grob fahrlässig nicht gekannt, urteilten die Richter. Sie orientierten sich bei dieser Einschätzung daran, dass kein allgemeines Gebot bestehe, andere vor Selbstgefährdung zu bewahren.
Weil die zwei Streitparteien in Bezug auf den Unfall gar keinen Vertrag miteinander hatten, könnte nur eine deliktische Haftung des Betreibers in Betracht kommen. Doch die gesetzlichen Voraussetzungen für einen solchen Anspruch nach § 823 BGB und § 249 BGB liegen hier laut dem Urteil nicht vor.
Ihrer allgemeinen Wartungs- und Funktionsprüfungspflicht hinsichtlich der Lüftungsanlage ist die Beklagte laut einem TÜV-Bericht zuletzt drei Monate vor dem Unfall nachgekommen. Ob der darin nicht bemängelte Schaltkontakt ursächlich für den Unfall war, ist laut dem Urteil unklar.
Gegen diese Entscheidung ging der Kläger in Berufung. Doch auch das OLG Brandenburg hat die Klage in einem Urteil vom 12. November 2025 (7 U 141/24) zurückgewiesen. Das Urteil des Landgerichts ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar; die Revision wurde nicht zugelassen.
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