23.5.2025 – Die Maßnahmen der EU-Kommission und der Eiopa haben bislang nicht wirksam dazu beigetragen, die zweite Säule zu stärken und ein Paneuropäisches Privates Pensionsprodukt (Pepp) auf dem Markt zu etablieren, hält der EuRH fest. Er plädiert dafür, Informationen über sämtliche Rentenansprüche transparenter darzustellen, „geeignete Maßnahmen“ für das Pepp zu ergreifen und den Aufsichtsrahmen für EbAV zu stärken. BVK und Votum sehen sich in ihrer Kritik bestätigt.
Die bisherigen EU-Maßnahmen haben den Ausbau der zusätzlichen Altersvorsorge, die die gesetzliche Rente ergänzen soll, nicht wirksam vorangetrieben. Das stellt der EU-Rechnungshof (EuRH) in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht „Ausbau der zusätzlichen Altersvorsorge in der EU“ fest.
Der EU-Kommission und der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (Eiopa) sei es nicht gelungen, die Rolle der betrieblichen Altersversorgung in der Union zu stärken oder dem Paneuropäischen Privaten Pensionsprodukt (Pepp) zum Durchbruch zu verhelfen.
„Trotz mehrerer Initiativen der EU-Kommission“ komme derzeit weder grenzüberschreitenden betrieblichen noch europaweiten Rentenprodukten eine ernstzunehmende Rolle auf dem EU-Markt für Zusatzrenten zu.
Die Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV) verwalten den Angaben zufolge Vermögenswerte in Höhe von schätzungsweise rund 2,8 Billionen Euro. Erfasst sind in diesen Systemen rund 47 Millionen Arbeitnehmer und Rentner.
Die Maßnahmen der Kommission hätten zwar die Voraussetzungen für einen Binnenmarkt für EbAV geschaffen. Das Ziel, diesen Markt zu vertiefen und die grenzüberschreitenden Tätigkeiten zu verstärken, sei aber nicht erreicht worden.
„Diese Tätigkeiten haben nach wie vor einen geringen Umfang und konzentrieren sich auf einige wenige Mitgliedstaaten, in denen die betriebliche Altersversorgung traditionell bereits eine Rolle spielte“, heißt es im Bericht.
Dies sei in erster Linie auf Faktoren zurückzuführen, auf die die EU keinen Einfluss habe. Der Rechnungshof weist aber darauf hin, dass die EU für grenzüberschreitende Fonds zusätzliche Anforderungen eingeführt habe, wodurch diese noch stärker benachteiligt würden.
Das Urteil zum Pepp fällt ebenso ernüchternd aus – und der EuRH hat dafür auch eine Erklärung: Aufgrund mangelnder steuerlicher Anreize und der für das Basis-Pepp vorgeschriebenen Obergrenze von einem Prozent für Kosten und Gebühren sei ein solches Produkt „nicht sonderlich attraktiv“.
Die praktische Relevanz des Pepp im Versicherungsvertrieb ist bis heute überschaubar geblieben: Im zentralen Pepp-Register der Eiopa scheinen nur zwei Anbieter auf: schon seit längerem Finax o.c.p., a.s. aus der Slowakei und seit kurzem Life Goals Financial Services Ltd. aus Zypern.
Die EU-Verordnung über das Pepp war im Juli 2019 kundgemacht und mit 22. März 2022 effektiv anwendbar geworden (VersicherungsJournal 21.6.2019).
Ein „Zugang zu umfassenden Renteninformationen“ sei für die Menschen entscheidend, besonders, wenn sie sich dem Rentenalter nähern, betont der EuRH. Pläne, die Transparenz im Rahmen der Kapitalmarktunion zu verbessern, seien bislang aber „nicht von Erfolg gekrönt“.
Die Versicherten erhielten nach wie vor keinen Gesamtüberblick über ihre gesetzliche, betriebliche und private Altersvorsorge, „und damit keine Informationen über ihre künftigen Rentenansprüche“.
Die Eiopa habe zwar Maßnahmen ergriffen, damit mehr Informationen über die betriebliche Altersversorgung bereitgestellt werden. Der EuRH ortet aber beispielsweise bei Angaben zu den auflaufenden Kosten und den erwirtschafteten Renditen Defizite.
Es sei daher wichtig, auch Betriebsrentenfonds wirksam zu beaufsichtigen. Der Eiopa sei es aber nicht gelungen, unionsweit einheitliche Aufsichtspraktiken zu gewährleisten. Dafür macht der EuRH zwei Gründe aus: „wenig Resonanz“ seitens nationaler Behörden auf Eiopa-Initiativen sowie den Umstand, dass die EU für die Aufsicht über Betriebsrentenfonds nur Mindeststandards vorgebe.
„In den Volkswirtschaften der EU, die mit demografischen und haushaltspolitischen Herausforderungen konfrontiert sind, dürfte die zusätzliche Altersvorsorge zunehmend an Bedeutung gewinnen“, kommentiert Mihails Kozlovs, das für den Bericht zuständige Mitglied des Rechnungshofs.
„Leider bleiben sowohl betrieblich geförderte als auch EU-weite private Rentensysteme hinter den Erwartungen zurück, insbesondere was eine Absicherung über Ländergrenzen hinweg betrifft“, so Kozlovs weiter. „Es müssen zusätzliche Schritte unternommen werden, um diese Formen der Altersvorsorge zu stärken.“
Der EuRH hat den Bericht mit Blick auf die Pläne für die Spar- und Investitionsunion“ veröffentlicht (VersicherungsJournal 20.3.2025), vor deren Hintergrund die EU-Kommission die rechtlichen Rahmenbedingungen für Betriebsrentenfonds und das Pepp überprüfen will.
Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e.V. (BVK) bekräftigte seine Kritik, dass Standardprodukte weder den individuellen Lebenslagen der EU-Bürger noch den unterschiedlichen und sehr komplizierten Besteuerungen in den 27 EU-Staaten gerecht werden könnten.
BVK-Präsident Michael H. Heinz ist überzeugt, dass ein Produkt mit einer Kostenobergrenze von einem Prozent pro Jahr weder für Anbieter noch für Vermittler wirtschaftlich tragfähig sei.
„Solange diese unrealistische Deckelung besteht, wird es kaum Versicherer geben, die Pepp-Produkte entwickeln, geschweige denn Vermittler, die dazu beraten. Und das bei einem Produkt, das aufgrund eines länderübergreifenden Vertriebs zusätzlichen Beratungsbedarf hat“, erklärte Heinz.
Für den Votum Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa e.V. ist die Idee des Pepp „krachend gescheitert“.
Die EU-Kommission habe als Zielmarke für 2030 ein Anlagevolumen von 700 Milliarden Euro ausgegeben. Hiervon seien vom bisher einzigen Anbieter Finax nur etwa 50 Millionen Euro erreicht worden. Dies entspreche einer Zielerfüllungsquote von lediglich 0,007 Prozent.
Martin Klein, geschäftsführender Vorstand des Verbandes, fordert:
„Die Bundesregierung kann daher nicht auf Europa warten oder von dort auf eine schnelle Verbesserung der privaten Altersvorsorge erhoffen. Sie kann nur aus den Fehlern, die in der EU gemacht worden sind, lernen und die Hinweise des Europäischen Rechnungshofs ernst nehmen.
Auch bei den anstehenden Reformen der Betriebsrente und der Riester-Rente müssen daher klare steuerliche Anreize, Abkehr von renditeschädlichen Garantieverpflichtungen sowie umfassende Fördermaßnahmen im Vordergrund stehen.
Darüber hinaus muss von unrealistischen Kostenobergrenzen Abstand genommen werden, da diese ansonsten dazu führen, dass der Markt kein Angebot entwickelt. Die Gesetzesentwürfe liegen vor. Es gibt daher keine Entschuldigung mehr dafür, die Arbeit nicht sofort aufzunehmen.“
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