Mit der Deregulierung ist die behördliche Vorabprüfung entfallen

5.4.2004 – Bis zur Deregulierung in 1994 war die Aufsichtsbehörde für die Genehmigung von Tarifen, Bedingungen, Überschussgeschäftsplänen u. a. verantwortlich. Hier fand sowohl eine mathematische (aktuarielle) Prüfung durch einen Versicherungsmathematiker, wie eine zusätzliche juristische Prüfung durch einen ausgebildeten und auf Versicherungsrecht spezialisierten Juristen statt.

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Erst nach der Genehmigung durfte der Versicherer neue Tarife oder Bedingungen einführen oder Änderungen vornehmen. Mit der Deregulierung ist diese behördliche Vorabprüfung entfallen. Die Versicherungsunternehmen sind nun weitestgehend selbst verantwortlich.

Zwar wurden verantwortliche Aktuare eingeführt - Mathematiker und nicht Juristen - sowie für Beitrags- und Bedingungsänderungen jeweils getrennte mathematische bzw. juristische Treuhänder. Dadurch hat sich jedoch die Gefahr erhöht, dass nur jeweils eine einseitige - oder zumindest schwerpunktmäßige - aktuarielle bzw. juristische Prüfung stattfindet.

Verantwortlich für den Vorschlag zur Überschussdeklaration ist nach dem VAG der verantwortliche Aktuar. Und aktuariell ist die Differenzierung der Überschussbeteiligung nach dem Rechnungszins auch nachvollziehbar und deswegen - aus rein aktuarieller Sicht - auch gar nicht zu beanstanden.

Es ist zumindest fraglich, ob der verantwortliche Aktuar auch über die tiefergehenden versicherungsrechtlichen Kenntnisse verfügen muss, um die Zulässigkeit aktuariell möglicherweise sogar gebotener Maßnahmen aus rechtlicher Sicht urteilen zu können.

Das Gesetz (§11a(1)VAG) verlangt von ihm nur ausreichende Kenntnisse in der Versicherungsmathematik und eine Berufserfahrung, die bereits durch dreijährige Tätigkeit als Versicherungsmathematiker nachgewiesen wird.

Verantwortlich letztlich für die Entscheidung über die Überschussdeklaration ist dagegen der Vorstand selbst. Eine weitere juristische Prüfung der vom Aktuar vorgeschlagenen Überschussbeteiligung vor der Umsetzung der Vorschläge wäre hier also noch möglich.

Offenbar liegen die rechtlichen Verhältnisse aber nicht so eindeutig, dass der Ausgang eines Rechtsstreits zwischen den Versicherungsunternehmen und der Aufsichtsbehörde vor den Verwaltungsgerichten bereits absehbar wäre.

Erfahrungen auch im Ausland zeigen, dass mit einer zunehmenden Deregulierung die wegfallende behördliche Vorabgenehmigung durch vermehrte richterliche Überprüfung ersetzt wird - wie zu Beitragsanpassungen oder Bedingungsänderungen in der privaten Krankenversicherung oder Lebensversicherung.

Hier spielen dann die aktuariellen Fragen zwar eine wichtige Rolle und müssen zunächst einmal transparent gemacht werden, aber es erfolgt eine zusätzliche rechtliche Prüfung nach den gesetzlichen bzw. vertraglichen Rechtsgrundlagen.

Die nachträgliche gerichtliche Überprüfung bedeutet eine erhebliche Unsicherheit für Kunden und Versicherungsunternehmen, da hier meist in gleicher Weise die Ansprüche ganzer Tarifbereiche und Kundengruppen betroffen sind, was "sammelklageähnliche" Verfahren erleichtert.

Der Beinahezusammenbruch der Equitable Life wurde z. B. durch ein höchstrichterliches Urteil verursacht, das die versicherungsmathematisch gebotene Reduzierung der Garantien für unzulässig erklärte.

Vergleichbare Fälle in Deutschland sind letztlich nicht auszuschließen; diese Gefahr hat sich jedenfalls durch die Deregulierung deutlich erhöht.

Dipl.-Math. Peter Schramm, Aktuar DAV

zum Artikel:„Unzulässige Ungleichbehandlung der Versicherten“.

 info@pkv-gutachter.de

 

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